Schnuppern am SIMM
Bis meine Töchter diesen Frühling an irgendeinem OL einen Prospekt entdecken: 44. Swiss International Mountain Marathon, Sa/So 17./18. August 2019 Schwarzsee FR. «Mami, da wollen wir mitmachen!». Ich lasse die Idee noch reifen, vielleicht vergessen sie es wieder… «Mami, hast du uns an SIMM schon angemeldet?» läutet es ein paar Wochen später. Nun muss ich das Thema SIMM etwas genauer anschauen und melde uns schlussendlich in der Kategorie Score an. An beiden Lauftagen haben wir 5 Stunden Zeit um möglichst viele Punkte zu sammeln. Die einfachen Posten am Weg bringen weniger, die schwierigen und/oder anstrengenden mehr Punkte. Für Zeitüberschreitungen werden Punkte abgezogen.
Die ersten Herausforderungen sind das Einkaufen des Essens und das Packen am Tag vorher. Welches Süppli hat am meisten Kalorie pro Gramm? Welcher Balisto-Riegel? Welche Teigwaren lassen sich an besten mit Löffel essen? Gabel wollen wir wohlverstanden nicht auch noch tragen. Haben wir genug Essen? Haben wir nicht zu viel Essen? Habe ich genug Kleider oder zu viel unnötige Kleider, ohne denen ich noch etwas Gewicht sparen könnte?
Unser Vorsatz ist schliesslich: «wir nehmen es gemütlich». Superleichtes Material konnten wir aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht kaufen und nur wenig auslehnen. Unsere Rucksäcke sind somit etwas schwerer als diejenige unserer Konkurrenten.
Um 10.47 Uhr geht der Startschuss bei der Bergstation der Gypsera Sesselbahn los. Wir bekommen einen Kartenausschnitt mit dem Postennetz, der so gut ist, dass wir die Posten nicht auf der Landeskarte übertragen müssen. Wir können also sofort loslegen. Und wissen sie was spätestens jetzt mit dem Vorsatz passiert, wenn das Team aus einer Tochter besteht, die fast bei jedem Lauf auf dem Podest landet, eine Tochter, die an der letzten SOW meistens in den Top 10 war und eine Mutter, die schon lang davon träumt, mal auf das Podest zu steigen? Ja genau: Innert Sekunden sind wir vom Wettkampffieber gepackt und vergessen ist der Vorsatz.
Ich lasse die Mädchen Karten lesen und interveniere, wenn der Massstab (1/25'000) oder die Ungenauigkeit der Karte Mühe macht oder Streite sind ankünden. Nach dem ersten starken Anstieg und beim 7. Posten angekommen, geniessen wir ganz kurz den Weitblick auf dem Mittelland. Wir müssen oft von den Kühen zertrampelten Kuhwiesen queren, was mit dem Rucksack anstrengender als sonst ist. Wir schaffen es doch 18 Posten von 25 zu «sammeln» und landen nach dem ersten Tag auf den stolzen 6. Rang von 18 Teams. Noch durch den Materialkontrolle und endlich dürfen wir das lang ersehnte in uns fliessen lassen: Wasser!
Das organisierte Camp liegt auf 1400 m ü.M. Wir installieren das Zelt bei den Kollegen der OLG Stäfa und widmen uns ab dann dem Essen. Dabei betrachten wir, was es für merkwürdige «Zelte» gibt. Z.B. das silberige gerade nebendran. Das hätte ich gern bei Regenwetter gesehen… Oder das zu kurz Rohr in dem die Unterschenkel des grossen Vaters neben seinem jugendlichen Sohn liegend keinen Platz mehr finden. Oder diese winzigen Zelte, von denen ich mich denke, dass nur zwei drin zusammen schlafen können, die sich wahnsinnig gern haben…
Die schöne Abendstimmung setzt irgendeinmal ein. Ich schaue kurz auf die Karte und ahne schon, dass morgen streng wird. Der Weg zurück um den Kaiserberg ist schon allein eine 5-stündige Wanderung…
In der Nacht ziehen Quellwolken am Vollmond vorbei. Ich wag es, ohne Taschenlampe zu den Toitois zu laufen und staune wieder mal an der Leuchtkraft des Vollmondes.
Um 5.30. Uhr ertönt der Weckruf am Megafon. Die ersten Teams müssen bereits um 7.00 Uhr zum Jagdstart anstehen. Um 6.00 Uhr stehen wir auf. Der wolkenlose Himmel und wunderschöne Morgenstimmung der Berge geben uns die nötige Motivation dazu.
Bis zum Start sind es 300m Höhenunterschied zu bewältigen. Die Beine und der Rucksack fühlen sich schwerer an als gestern. Der Startschuss ist um 8.00 Uhr. Die ersten zwei Posten sind relativ schnell gestempelt. Der nächste ist auf dem Grat. Andere Kategorien haben auch diesen Posten und eine lange Kolonne von Läufer erstreckt sich dem schmalen Grat entlang. Wir müssen etwas Tempo rausnehmen, denn Überholen ist einfach nicht möglich. Am Ende dieser heiklen Passage wird man mit einem fantastischen Blick: die Alpen von links nach rechts, Monte Rosa, Matterhorn, Mont Blanc und Co. in einem!
Nun geht es wieder Bergab. Nach ein paar Posten müssen wir überlegen, über welchem Pass wir zurück nach Schwarzsee wollen. Wir entscheiden uns für den Kaisereggpass, etwas höher, aber deutlich besser begehbar, wie wir es später von anderen Läufern erfahren werden. Auf dem Pass sammeln wir noch 90 Punkte. Es werden die letzten sein, den wir haben nur noch 60 Minuten, um 1000m abzusteigen.
Wir müssen noch Wald und Wiese Offroad bergab laufen. Der Abstieg will und will nicht aufhören, der Schwarzsee scheint nicht näher kommen zu wollen… Der Durst ist das Schlimmste. Mit den letzten Kräften queren wir überglücklich die Ziellinie.
37 Minuten überzogen, das kostet viele Strafpunkte. Aber kein Team hat es heute ohne Überzeit geschafft. Und der Traum vom Podest wird sogar noch erfüllt. Wir sind die zweitplatzierte Familie und 7. In der Gesamtwertung der Score Kategorie. Ob wir nochmals mitmachen ist noch offen. Aber eins ist sicher: Nie mehr mit einem so schweren Rucksack!