Mal links, mal rechts von der Rhone

Doch spätestens nach der Überquerung des Rösti-Grabens bei Freiburg ist es klar, dass es für dieses Wochenende keinen besseren Entscheid gab: Der Nebel ist weg und der Himmel tiefblau, die grünen Hügel im Greyerzerland mit den goldigen Waldstreifen lachen uns an. Bald geht es steil bergab und der Lac Léman glänzt prächtig vor unseren Augen. Und nicht zu vergessen: die wunderschöne Sprache ;-)

Wir haben immer vom OL-Wochenende im Wallis gesprochen, aber eigentlich ist nur der Lauf vom Samstag im Wallis. Der Lauf vom Sonntag ist auf der anderen Seite des Rhonetales im Kanton Waadt.

Den Parkplatz und das WKZ in Monthey zu finden, war nicht ganz einfach, aber wir sind zum Glück etwas zu früh. Florian trifft auch ein und bestätigt, dass die Markierung nicht ganz optimal sei: «Endlich habe ich das WKZ gefunden!». Als erstes muss ich einen Kaffee haben … Aber die eine Maschine rebelliert und meldet «Détartrage nécessaire» (Entkalkung nötig). Die Damen der Beiz sind etwas konsterniert: «Hätte doch vor der Miete geprüft werden müssen.», sagt die eine. Fertig Perfektionismus und «bienvenue en Romandie!» ;-)

Der OL findet in einem relativ steilen Wald mit vielen Kastanienbäumen oberhalb Monthey statt. Die Karte ist nach meinem Geschmack etwas überladen bzw. unübersichtlich und wichtige Details sind zum Teil unter den Postenkreisen versteckt. Für die Ü40 kommt noch die Schwierigkeit dazu, dass der Wald relativ dunkel ist, was das Kartenlesen erschwert. Mir wäre es nicht so schlecht gelaufen, wäre nicht der verhexte Posten 4 gewesen… Es stehen sagenhaft vier Frauen am gleichen (falschen) Ort und suchen den gleichen Posten … viel zu weit oben! Wir sind alle zu fest nach «links» abgewichen … Dieser Fehler kostet mich sicher 8 Minuten und spült mich in den unteren Drittel der Rangliste :-( Am Ziel sehe ich Franziska, die auch noch am gleichen Ort wie ich stecken geblieben ist. Es beruhigt doch! Und wir haben somit wieder mal Grund zum Lachen.

Um alles zu vergessen, kaufe ich mir einen Bon für eine Portion Raclette. Beat, Tamara und Adi warten schon in der Schlange, die noch relativ kurz ist. Ich reihe mich ein und stelle nach gut fünf Minuten fest, dass ich noch keinen einzigen Schritt weitergekommen bin. Der Mann vor mir ärgert sich auf Berndütsch, es sei doch nicht möglich mit nur so einem Öfeli an so einem Anlass. Und ich denke mir: «Du bist jetzt im Wallis, weit weg von Zürich … Entschleunigen … Ja kein Stress …» Nach gut dreissig Minuten bin ich dran. Mein Gegenüber freut sich, ein paar Wörter mit mir austauschen zu können. Sein Deutsch ist nämlich sehr rudimentär… Er erklärt, dass die andere grössere Maschine nicht draussen im Betrieb genommen werden kann. Sehr fein ist die Raclette auf jeden Fall, und auch der riesige Hefeschnecke zum Dessert.

Nun gilt es die Airbnb-Unterkunft zu finden. Ein Haus im Wald, hat es geheissen. Ich weiss nicht was uns erwartet … Wir fahren mal den Hang oberhalb Bex (VD) hoch. Ich, die das Kurvenfahren liebt, komme auf meiner Rechnung :-) Und bald steht fest, dass ich einen Volltreffer erwischt habe: äusserts nette Gastgeber, eine ganz hübsche Wohnung mit viel hellem Holz und last but not least eine wunderschöne Aussicht aus dem Stubenfenster. Die Berge leuchten im Abendlicht, und wie wenn das nicht genug schön wäre, spannt sich noch ein Regenbogen über die Landschaft!

Da wir nur 10 Minuten Autofahrt von Villars-sur-Ollon wohnen, können wir am Sonntag etwas ausschlafen und sind für den Wettkampf frisch und munter. Die ganze Woche hat uns der Wetterbericht einen kalten und trüben Tag mit Regen versprochen … Eher daneben: der Himmel ist zwar nicht ganz wolkenfrei, aber die Sonne scheint! Zum Glück, denn wir müssen heute mit dem Zug bis zum Col de Bretaye hochfahren und es wäre sehr schade, wenn die wunderschöne und weitsichtige Berglandschaft komplett in den Wolken versteckt wäre.

Oben auf dem Pass windet es etwas. Das Ziel der JEC befindet sich gerade bei der Bahnstation. Der Wettkampf ist bereits in vollem Gange. Der Weg bis zum Start der JEC und des nationalen Laufes ist ziemlich hübsch. Das Ziel unseres Laufes, an dem man vorbeiläuft, ist beim Start der JEC, unser Start etwas weiter oben.

Der Start 1, zu dem ich muss, ist ziemlich eng, so dass immer nur zwei Personen aufs Mal starten können. Der ältere Herr, der mit mir starten muss, startet wie eine Rakete. Ich bin recht beeindruckt, bis ich ihn 200 m weiter ziemlich sicher über meine Position überhole. Er sieht verloren aus … Tja … Wie war das schon, diese Fabel, die ich in der Schule lernen musste? So was wie «Rien ne sert de courir, il faut partir à point» (Eile allein tut es nicht). ;-)

Der Massenstart der jungen Teilnehmerinnen der JEC war ca. 10 Minuten vor meinem. So wimmelt es an jungen Damen bis zu meinem 4. Posten. Bald wird es etwas ruhiger. Mir läuft es heute ziemlich gut und bis auf zwei kleine Unsicherheiten die mir insgesamt geschätzte 4 Minuten kosten, fühle ich mich sehr wohl in diesem Gelände. Entsprechend finde ich mich heute ziemlich stolz – passiert mir nicht so oft – im obersten Drittel der Rangliste. Am Ziel springt mir meine Tochter überglücklich in die Arme. Sie ist auch sehr zufrieden mit ihrem Lauf.

Wir laufen mit Frizzi zurück zum Pass, wo der Zug im Nebel wartet. Es sieht nicht mehr so freundlich aus, aber im WKZ können wir uns wieder aufwärmen und essen. Noch die Siegerehrung der JEC mit den hervorragenden Gebrüder Mattia (M18, 5.) und Andrin (M20, 7.) anschauen, die Bahnen diskutieren, sich über die Fehler ärgern und anschliessend darüber lachen und die morgige Wanderung mit Familie Köhle planen. Dann verlassen wir das nun von einem sehr dicken Nebel umhüllte Villars-sur-Ollon, um es uns in der ruhigen Wohnung gemütlich zu machen und um, um ein tolles Erlebnis reicher, den Abend zu geniessen.

Nathalie Waldner

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