6. und 7. Nat. Grindelwald
... die Asiaten schnatternd und staunend die berühmt-berüchtigte Nordwand bewundern, eilen die OL-Läufer in Richtung WKZ. Unterwegs werden OLianer und Asiaten gleichermassen mit Werbe- und Infoflyern für den Weltcup eingedeckt. Bei der einen Gruppe sind sie eigentlich fast überflüssig, bei der anderen fragt man nach dem Sinn. Ich überlasse es der Fantasie der Leser, welche Aussage auf welche Gruppe zutrifft …!
Da Pascal 80 Minuten vor mir startet, bleibt mir im WKZ noch genügend Zeit, über das Panorama fachzusimpeln und der Präsidentenfrau den Aussichtspunkt First und die Gletscherschlucht schmackhaft zu machen. Eine Stunde und 40 Minuten vor meinem Start mache ich mich auf, die Hänge, in denen Matthias Kyburz am Vortag triumphierte, zu erobern. Alles beginnt ganz harmlos und gemütlich, befördert doch die Firstbahn die Läufer auf 2165 M.ü.M. Danach beginnt die grosse Wanderung zum Berghaus Waldspitz: Mit jedem Höhenmeter, den ich verliere, werden die staunenden Asiaten weniger, bis kurz vor dem Gasthaus keiner mehr übrig ist. Da ich natürlich wieder mal viel zu früh am Start bin, bleibt mir Zeit, die seeeehr steilen Hänge zu inspizieren. Von harmlos keine Spur mehr … Der Start erfolgt dann auch wie erwartet in die Steilhänge hinein; die grösste Herausforderung ist, wegen der Steilheit nicht 30 Meter unterhalb des Postens zu landen. Der lange Riemen verschlägt mir dann doch etwas die Sprache: Ein riesiger, als Sperrgebiet kartierter Felsriegel versperrt jeglichen einigermassen sinnvollen Weg. Das bedeutet dann konkret, dass fast die ganzen Höhenmeter der Bahn – also ca. 150 – auf einer 20-minütigen Umlaufroute zurückgelegt werden, nur um dann in einem fast schon gemeingefährlichen Abstieg über eine Wiese mit Kuhspuren wieder vernichtet zu werden. Steiler ist halt nicht immer geiler! Über den Rest des Laufs hülle ich den Mantel des Schweigens. Es sei nur so viel verraten: Um meine Motivation steht es nicht mehr zum Besten … Zurück im WKZ stelle ich dann noch fest, dass der Weltcup bereits vorbei ist. Motivierend wirkt einzig noch Pascals Aussage, dass die heutige Laufkarte der Elite in der Live-Übertragung viel schöner gewirkt habe als unsere Steilhangkarte – somit besteht ja Hoffnung, dass das Laufgelände für die Mitteldistanz vom nächsten Tag ansprechender sein wird.
Am Sonntag Erwachen und Weg zum Start im dichten Nebel, nicht mal die Gondel vor oder hinter der eigenen ist sichtbar. Dies hält die Asiaten jedoch nicht davon ab, durch die beschlagenen Fenster die „Bergwelt“ zu verewigen! Kurz vor dem Start lichtet sich dann der Nebel etwas, sodass ich mit besserem Gefühl als befürchtet in den Hang steche. Heute überrascht mich das Gelände positiv. Die Hänge sind zwar noch immer steil, aber der Wald gefällt: Das Gelände ist fein coupiert, der Wald deutlich besser belaufbar als am Vortag, die Steine mit weichem Moos überwachsen. Wir bewegen uns mehrheitlich in einem Bergsturzgebiet abwärts, welches von kleinen Wiesenstücken unterbrochen ist. Und die beste Überraschung kommt zum Schluss: Ich erreiche das Ziel bei schönstem Sonnenschein und habe freie Sicht auf die frisch verschneiten Berge, vom Wetterhorn bis zur Jungfrau J. Heute bin ich so früh im WKZ zurück, dass die Zeit vor dem Weltcup sogar noch reicht, einen dicken Hamburger zu verspeisen. Die Sprintstaffel der Elite hält einiges an Spektakel bereit. Einerseits ist die Kulisse mit der Eigernordwand überwältigend, andererseits sorgen die Teams Schweiz 1 und Schweden 1 für mehr Spannung als erwartet, da sie wegen Postenfehler oder Betreten von Privatgelände disqualifiziert werden. Schweiz 2 mit Sprint-Weltmeister Daniel Hubmann holt die Kohlen aus dem Feuer und erreicht den dritten Platz. Mit dem Verschwinden der Sonne verlassen auch die OL-Läufer Grindelwald – was eher unbefriedigend begann, kam zu einem wunderschönen Ende!